In Konflikten sehen wir meist nur das Offensichtliche: einen schroffen Ton, ein genervtes Augenrollen, ein „Schon wieder du?!“. Doch die Musik spielt in Konflikten unterhalb der Oberfläche – dort, wo wir meistens nicht hinsehen.
Genau hier setzt das Eisbergmodell in Konflikten an: Es hilft, die tieferliegenden Ebenen eines Streits zu erkennen – von verletzten Bedürfnissen bis zu unvereinbaren Werten.
Wer nur auf das schaut, was sichtbar ist, übersieht schnell den eigentlichen Kern des Problems. Und genau deshalb lohnt sich der Blick unter die Wasserlinie.
Eisberge werden öfter mal bemüht, wenn es darum geht, anhand eines Modells zu erklären, dass uns der größte Teil eines Sachverhalts unbekannt ist, außer wir machen einen beherzten Sprung ins eiskalte Wasser. Auch das Konfliktmanagement verwendet ein Eisbergmodell - wie könnte es anders sein (daneben gibt es aber noch einige andere, sehr kluge und hilfreiche Konfliktmanagement-Modelle).
Im Konfliktmanagement und der Mediation hat sich die Aufteilung in Positionen, Interessen und Bedürfnisse (und als Bonusebene: Werte) bewährt, wobei die Positionen sichtbar sind und alle anderen unsichtbar. Andere Ansätze unterteilen gelegentlich in Sach- und Beziehungsebene.
Dieses Modell hilft uns, die verborgenen Schichten von Konflikten zu verstehen und nachhaltig zu lösen. Aber sieh' selbst, was du alles nicht siehst.

Das Eisbergmodell: Verborgene Ebenen von Konflikten sichtbar machen
Ebene 1: Positionen
Positionen sind das, was im Konflikt sichtbar und hörbar ist. Es ist das, was die Beteiligten äußern (oder das, worüber sie bereits lautstark am Gang streiten). Positionen sind einfach zu identifizieren und bieten einen klaren Ausgangspunkt für die Analyse.
Beispiel: In einem Teammeeting äußert ein Kollege vehement seine Meinung über eine Projektverzögerung. Die Position ist klar: Er möchte die Deadline einhalten.
Ebene 2: Interessen
Interessen sind die Gründe, warum jemand eine bestimmte Position vertritt. Sie sind oft nicht sofort sichtbar, können aber durch gezielte Fragen und Gespräche aufgedeckt werden. Interessen sind ein erster Schlüssel zur Konfliktlösung, da sie die Beweggründe hinter den Positionen offenbaren. Das ist auch der Ansatz im Harvard-Konzept, übrigens.
Wann einsetzen?: Diese Ebene ist ideal, wenn die Diskussionen auf der Positionsebene festgefahren sind und keine Fortschritte erzielt werden. Indem du die Interessen hinter den Positionen ermittelst, kannst du Lösungen finden, die für alle Beteiligten akzeptabel sind.
Beispiel: Der Kollege, der die Deadline einhalten möchte, könnte das Interesse haben, seine berufliche Integrität zu bewahren oder sich für eine bevorstehende Beförderung zu qualifizieren.

Ebene 3: Bedürfnisse
Bedürfnisse sind tief verwurzelte menschliche Anforderungen, die unser Handeln steuern (und gehören zum Bereich Psychologie in Konflikten). Sie sind oft emotional und persönlich und liegen noch tiefer vergraben als Interessen (oder sollte ich sagen "versenkt", es ist ja schließlich ein Eisberg). (Grund-)Bedürfnisse zu erkennen und zu erfüllen, ist oft entscheidend für eine nachhaltige Konfliktlösung.
Diese Ebene sollte in Betracht gezogen werden, wenn Konflikte trotz Berücksichtigung der Interessen weiterhin bestehen oder wenn emotionale Aspekte eine große Rolle spielen. Klar - im beruflichen Kontext ist es nicht besonders üblich, über Bedürfnisse zu sprechen, aber auch das kann man so machen, dass niemand das Gesicht verliert.
Beispiel: Das Bedürfnis des Kollegen könnte ein grundlegendes Bedürfnis nach Anerkennung und Sicherheit im Job sein. Dieses Bedürfnis anzuerkennen und zu erfüllen, könnte den Konflikt lösen. Und dafür gäbe es sicher noch ganz viele andere Möglichkeiten als die (doofe) Deadline.
Ebene 4: Werte
Werte sind grundlegende Überzeugungen, die unser Denken und Handeln prägen. Sie sind tief in unserer Identität verankert und bestimmen maßgeblich unser Verhalten. Werte sind die tiefste Ebene des Eisbergmodells und sind - das ist die wirklich schlechte Nachricht - von außen kaum veränderbar. Deshalb werden Wertekonflikte manchmal zu einem regelrechten Alptraum...
Diese Ebene ist besonders dann relevant, wenn Konflikte sehr hartnäckig sind und scheinbar unüberwindbare Differenzen bestehen, denn dann haben wir sehr wahrscheinlich einen Wertekonflikt. Diese Art von Konflikten ist etwas kniffliger zu lösen, aber auch hier ist es meistens möglich, einen gemeinsamen Weg zu finden, wenn alle Beteiligten das möchten.
Beispiel: Ein Kollege könnte großen Wert auf Teamarbeit und Fairness legen, was im Konflikt mit einem anderen steht, der eher individuell und ergebnisorientiert arbeitet. Das Verständnis und die Wertschätzung dieser unterschiedlichen Werte können helfen, eine gemeinsame Basis zu finden.
- Welche Herausforderungen erlebst du beim Herausfinden der tiefer liegenden Interessen und Bedürfnisse in Konfliktsituationen?
- Wie kannst du den offenen und respektvollen Dialog fördern, um Wertekonflikte im Team zu lösen?
FAQ zum Eisbergmodell in Konflikten
Was ist das Eisbergmodell in der Kommunikation und im Konfliktmanagement?
Wie hilft das Eisbergmodell bei der Konfliktlösung?
Warum ist es wichtig, Bedürfnisse und Werte in Konflikten zu erkennen?
Fazit
Das Eisbergmodell zeigt auf, wie viele unterschiedliche Ebenen ein Konflikt haben kann. Wenn wir uns dessen bewusst sind, und Positionen, Interessen, Bedürfnisse und Werte berücksichtigen, können wir auch tief verwurzelte Konflikte effektiv lösen (ansonsten: ab zur Mediatorin ;-)).
Quellenverzeichnis
- Thomas, D. C., & Peterson, M. F. (2014). Cross-Cultural Management: Essential Concepts. SAGE Publications.
- Mayer, B. (2000). The Dynamics of Conflict Resolution: A Practitioner's Guide. Jossey-Bass.