Warum um alles in der Welt fällt es uns so schwer, den Umgang mit schwierigen Kollegen zu meistern? In meinem ultimativen Leitfaden zum Umgang mit schwierigen Persönlichkeiten habe ich schon angedeutet, dass es sich lohnt, die Muster toxischer Persönlichkeiten zu kennen. Aber heute tauchen wir tiefer ein - in dein eigenes Hirn. Denn dort entstehen alle die negativen Gefühle, wenn jemand blöd ist (oder wir das glauben).
Umgang mit schwierigen Kollegen: Deshalb fühlen wir uns beeinträchtigt
Laut einer Studie von Porath und Pearson (2013) verbringen Mitarbeiter durchschnittlich 13% ihrer Arbeitszeit damit, sich von unhöflichem Verhalten am Arbeitsplatz zu erholen. Das sind mehr als 5 Wochen pro Jahr! Aber warum ist das so?
Hier sind 5 psychologische Mechanismen, die erklären, warum der Umgang mit schwierigen Kollegen so herausfordernd sein kann:
1. Der Spiegeleffekt
Unser Gehirn ist darauf programmiert, das Verhalten anderer zu spiegeln. Das nennt sich "Spiegelneuronen".
- Wenn jemand lächelt, lächeln wir zurück.
- Wenn jemand aggressiv ist, werden wir defensiv.
- Dieser Mechanismus macht es schwer, ruhig zu bleiben, wenn jemand uns angreift.
Dein Kollege kommt genervt ins Büro und knallt die Tür zu. Plötzlich merkst du, wie deine eigene Stimmung kippt - das ist ein typisches Beispiel. Wenn dich eine Stimmung ansteckt oder zu einer Reaktion verleitet, kannst du dir ziemlich sicher sein, dass du dem Spiegeleffekt zum Opfer gefallen bist.
2. Das Amygdala-Hijacking
Die Amygdala ist unser emotionales Alarmsystem im Hirn. Bei Bedrohung übernimmt sie die Kontrolle.
- Sie löst eine Kampf-oder-Flucht-Reaktion aus.
- Unser rationales Denken wird ausgeschaltet.
- Wir reagieren emotional, statt logisch zu denken.
Ein Kollege kritisiert deine Arbeit scharf. Dein Herz rast, deine Hände werden schwitzig, und du kannst keinen klaren Gedanken mehr fassen. Jetzt weißt du: Deine Amygdala hat übernommen.
3. Kognitive Verzerrungen
Unser Gehirn liebt Abkürzungen, weil es möglichst wenig Energie dafür aufwenden möchte, um seine Arbeit zu verrichten. Leider führen diese Abkürzungen oft zu Fehleinschätzungen. Es gibt ganz viele kognitive Verzerrungen, hier nur einige davon:
- Bestätigungsfehler: Wir sehen nur, was unsere vorgefasste Meinung bestätigt.
- Grundattributionsfehler: Wir überschätzen Persönlichkeitsfaktoren und unterschätzen situative Faktoren.
- Negativitätsbias: Negative Erfahrungen prägen stärker ein als positive.
Dein Kollege grüßt dich einmal nicht im Flur. Und du denkst sofort: "Der mag mich nicht", statt zu überlegen, ob er vielleicht einfach in Gedanken war. Kognitive Verzerrungen führen dazu, dass wir Fehlurteile fällen - und ihnen manchmal auf ziemlich ungute Art zum Opfer fallen. Deshalb ist übrigens auch Objektivität so eine Sache.
4. Das Bedürfnis nach Zugehörigkeit
Menschen sind soziale Wesen. Wir haben ein tiefes Bedürfnis nach Akzeptanz (und auch andere psychologische Grundbedürfnisse) - wird dieses nicht erfüllt, entstehen sehr unangenehme Gefühle.
- Ablehnung aktiviert dieselben Hirnregionen wie physischer Schmerz.
- Wir vermeiden Konflikte, um nicht ausgeschlossen zu werden.
- Dieses Bedürfnis kann uns dazu bringen, schlechtes Verhalten zu tolerieren.
Wenn du also weißt, dass dein Kollege im Unrecht ist, aber du widersprichst nicht, weil du Angst hast, dann nicht mehr zum Mittagessen eingeladen zu werden - dann erfüllst du zwar dein Bedürfnis nach Zugehörigkeit, machst aber die Situation nicht besser.
Aber keine Sorge - diesem Mechanismus fallen wir alle immer wieder mehr oder weniger zum Opfer, du bist also wenigstens nicht allein...
5. Der Selbstwertschutz
Unser Selbstwert ist empfindlich. Wir tun alles, um ihn zu schützen (auch das ist eins der psychologischen Grundbedürfnisse - wir wollen Gutes über uns denken können).
- Kritik wird als Bedrohung wahrgenommen.
- Wir neigen dazu, andere abzuwerten, um uns selbst aufzuwerten.
- Dieser Mechanismus kann zu Überreaktionen führen.
Wenn also ein Kollege auf einen Fehler in deiner Präsentation hinweist und du dich - statt dankbar für den Hinweis zu sein - angegriffen fühlst und defensiv reagierst, hast du gerade versucht, deinen Selbstwert zu verteidigen.
Und jetzt?
"Der Mensch ist nicht Herr im eigenen Haus", sagte schon Sigmund Freud. Und manchmal fühlt es sich wirklich so an, als würden diese psychologischen Mechanismen die Kontrolle übernehmen. Jetzt macht das ja Sinn, denn die Mechanismen sind deshalb da, weil sie ja sehr oft hilfreich sind und funktionieren - aber eben nicht immer.
Aber keine Sorge! Jetzt, wo du diese Mechanismen kennst, kannst du anfangen, bewusst gegenzusteuern. In meinem Artikel 7 Verhandlungstechniken für den Umgang mit schwierigen Kollegen findest du praktische Strategien, wie du trotz dieser psychologischen Hürden erfolgreich kommunizieren kannst.
Und denk dran: Manchmal sind es gerade die schwierigen Kollegen, die uns am meisten über uns selbst lehren. In 5 überraschende Gründe warum schwierige Kollegen eine Bereicherung sind erkläre ich dir, warum das so ist.
- Welcher dieser psychologischen Mechanismen kommt dir am bekanntesten vor?
- Wie könntest du das Wissen um diese Mechanismen nutzen, um in Zukunft gelassener zu reagieren?
- Welche Strategien hast du bisher unbewusst angewendet, um mit diesen Mechanismen umzugehen?
Fazit
Der Umgang mit schwierigen Kollegen ist eine Herausforderung, weil unser Gehirn manchmal unser größter Feind ist. Aber das Wissen um diese psychologischen Mechanismen ist der erste Schritt zur Veränderung. Mit Bewusstsein und Übung kannst du lernen, diese automatischen Reaktionen zu überwinden und souveräner mit Konflikten umzugehen.
Also, das nächste Mal, wenn dein Kollege dir auf die Nerven geht, atme tief durch und denk dran: Es ist nicht persönlich, es ist Sehrwahrscheinlich nur dein Gehirn, das seinen Job macht. Das musst du aber nicht ohne Protest passieren lassen.
Quellen
- Porath, C. L., & Pearson, C. M. (2013). The price of incivility. Harvard business review, 91(1-2), 115-121.